Dass dieses Jahr alles anders ist, ist nichts Neues mehr. Corona stellt nicht nur jedes Privatleben und gesellschaftlichen Status Quo auf den Kopf, sondern auch jede Branche – darunter auch die Transport Logistik. Doch wie weit liegen Erwartungen und Realität auseinander und welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf die Top-Themen der Branche? Ein Blick auf die Erwartungen an das Logistik-Jahr 2020 und auf die aktuelle Lage zeigt, dass die Kernherausforderungen noch immer da sind – wenngleich mit veränderter Intensität.
Das alte „Normal“
Vor Corona haben die Logistikweisen für den Wirtschaftsbereich Logistik eine Reihe von Kerneinflussfaktoren für das Kalenderjahr 2020 genannt. Darunter die Bereiche Industrie und Handel, Personal, Digitalisierung, neue Geschäftsmodelle und Nachhaltigkeit (siehe Bericht). Je nach Bereich schätzte das Expertengremium ihre Auswirkungen unterschiedlich stark ein, sodass Nachhaltigkeit, Personal und Digitalisierung als drängendste Themen für 2020 identifiziert wurden. Zeitgleich wurde auf dem Logistik-Gipfel im Herbst 2019 ein Wirtschaftswachstum von +2,2% nominal bzw. +0,4% real prognostiziert.
Damit standen der Fahrer- und Fachkräftemangel, die dringend benötigte Digitalisierung inkl. der Automation logistischer Prozesse und das Thema Nachhaltigkeit auf der Logistik-Agenda 2020. Die drei Themenbereiche verdeutlichen die noch nicht genutzten Potentiale und Herausforderungen von Transportunternehmen:
- Personal: Nicht nur Fahrer sucht das Land, auch Fachkräfte – darunter besonders im Bereich IT. Das führt nicht nur dazu, dass LKW zeitweise nicht bewegt werden können, weil Fahrer fehlen, sondern auch zu ungenutzten Optimierungspotentialen, die Prozess- und Produktketten effizienter gestalten würden.
- Digitalisierung: Dass Digitalisierungspotentiale im Logistikbereich hoch sind, zeigen nicht nur die Vielzahl an neuen Start-Ups, die mit innovativen, digitalen Logistiklösungen aufwarten. Nichtsdestotrotz ist der tatsächliche Digitalisierungsgrad ausbaufähig. Ursachen dafür werden aber nicht nur in der Investitionsbereitschaft der Unternehmen, sondern auch in der Offenheit gegenüber neuen Technologien und dem Umsetzungswillen von Fachkräften bzw. dem Management gesehen.
- Nachhaltigkeit: Die bis 2030 gesetzten Klimaziele und die daraus abgeleiteten Maßnahmen bedeuten für Transportunternehmen direkte und indirekte Mehrkosten. Denn die Reduktion von Emissionen, der Umstieg auf alternative Antriebe bei gleichzeitigem Wunsch nach „Same-Day-Delivery“ stellen die von Regierung und Bevölkerung gewünschte grüne Logistik – auch langfristig – vor echte Herausforderungen.
Wie hast du Herausforderungen vor der Corona Krise wahrgenommen? Welche Themen wolltest du ursprünglich im Jahr 2020 voranbringen? In unserem AGGREGATOR-Programm fragen wir nach aktuellen und zukünftigen Herausforderungen von Transportunternehmen. Zum AGGREGATOR-Programm.
Das neue „Normal“
Die durch die Pandemie hervorgerufenen wirtschaftlichen Engpässe und Verzögerungen an den Lieferketten verändern jedoch das aktuelle Bild im Transport- und Logistiksektor. Experten (wie der BGL, die Logistikweisen, der Frachteinkaufsclub uvm.) sprechen von einer Reihe neuer Problemstellungen, denen sich die Akteure im Logistikmarkt kurz- bis mittelfristig gegenübersehen.
Dazu gehört einerseits ein massiver Preisdruck auf den Frachtmärkten, dem nicht alle KMUs standhalten werden. Das wird u.a. Insolvenzen zur Folge haben, sodass die Konzentration auf Speditionsseite zunimmt. Andererseits werden globale Lieferketten kritischer hinterfragt und es zu einer teilweisen Rückverlagerung in näher gelegene (z.B. europäische) Länder kommen, um die Stabilität der Lieferketten auch in Zukunft zu gewährleisten.
Doch was passiert mit den ursprünglich für 2020 identifizierten Kerneinflussfaktoren Personal, Digitalisierung und Nachhaltigkeit? Die Logistikweisen beleuchten die Kriterien mit Blick auf die Folgen der Corona-Pandemie wie folgt:
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Personal: Logistik ist systemrelevant – zu dieser gesellschaftlichen Einschätzung kam es durch die Krise. Dadurch hat sich die Wahrnehmung des Wirtschaftszweigs und seiner Beschäftigten (speziell: Fahrer) gewandelt. Die gesteigerte Attraktivität kann (kurzfristig) zu einem Personalzugewinn führen.
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Digitalisierung: Gerade mit Blick auf Störungen in den Lieferketten macht es Sinn, Investitionen in Digitalisierung voranzutreiben. Durch den Einsatz von digitalen Werkzeugen können Handlungsengpässen vorgebeugt und im Ernstfall besser auf Störungen reagiert werden.
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Nachhaltigkeit: Vorerst werden Umweltaspekte etwas aus dem Blickwinkel geraten, da der Fokus auf dem wirtschaftlichen Wiederaufbau der Branche liegt. Langfristig rückt das Thema allerdings wieder in den Vordergrund und wird zukünftiges Handeln stark prägen.
Welche Themen und Herausforderungen den Wirtschaftsbereich Logistik im Jahr 2020 tatsächlich bewegt haben werden, lässt sich erst 2021 sicher sagen. Je nach Fortschreiten der Pandemie stehen gute und schlechte Szenarien im Raum, auf die sich die Branche nun vorbereiten muss. Die wirtschaftlichen Erwartungen haben die Logistikweisen allerdings schon angepasst: 2020 rechnen sie mit einem realen Rückgang um -5%, der sich 2021 mit +3% wieder erholen soll.
Als SVG GARAGE möchten wir im Rahmen des Aggregator-Programms wissen, welche Herausforderungen Transportunternehmen heute und in Zukunft beschäftigen, damit wir Kernherausforderungen der Branche identifizieren und gemeinsam passende Lösungen erarbeiten können. Dazu sind wir auf der Suche nach Unternehmen aus der Transport- und Logistikbranche, die ihre Erfahrungen und Einschätzungen mit uns teilen. Zum AGGREGATOR-Programm.
Quellen:
- http://www.logistikweisen.de/wAssets/docs/ergebnisbericht-logistikweisen-2020.pdf
- http://logistikweisen.de/wAssets/docs/logistikweisen-auswertungen-umfrage-mai-2020-zusammenfassung.pdf
- https://www.bvl.de/blog/ein-blick-auf-die-zeit-nach-der-coronakrise/
- http://www.bgl-ev.de/web/medien/presse/article_archiv.htm&news=3413&year=2020
- FEC Thesenpapier des Frachteinkaufsclubs